aus der Festschrift "100 Jahren Kinderschützenfest Reininghausen" im
Jahr 1997
gesammelt und aufgeschrieben von Dr. Werner Schoppmann
Im September des Jahres 1884 saßen eine Anzahl Männer zu Reininghausen
unter dem alten Lindenbaum bei der Wirtschaft des Herrn C. Stoffel und
kamen überein, einen Männergesangverein zu gründen…. .
Das war die Geburtsstunde des Männergesangvereins Reininghausen, der von Stund' an alle Dorfbewohner zu den wichtigsten jährlichen Festtagen
sowie Geburtstagen und Ehejubiläen mit feierlichen und fröhlichen
Melodien erfreute.
Der Verein förderte das Gemeinschaftsleben in
Reininghausen und brachte die Menschen aus dem Ober- und Unterdorf enger
zueinander; denn man lebte ja hinter dem Berg und der Weg nach
Gummersbach war weit.
Die Kinder der beiden Teile des Dorfes lebten auch
nicht in großer Harmonie: nach Aussagen von Zeitzeugen spielte man nicht
miteinander, sondern eher gegeneinander; zudem ging man auch in
verschiedene Schulen - die Einen nach Becke, die Anderen nach Gummersbach.
Ein beliebter Treffpunkt für die Kinder des Unterdorfes war der
„Eickenhoff“ = Eichenhof, jenes damals bewaldete Grundstück an dem
Dreieck, wo heute die Straßen „Am Sandberg" und „Hammerstraße"
zusammentreffen. Leider sind heute von den herrlichen Eichen keine mehr
vorhanden.
UNSER R E I N I N G H A U S E N, wie wir es fortan nennen wollen,
war ein recht musikalisches Dorf. Um 1900 gab es in fast jedem Haus
einen Musiker, denn in den 90er-Jahren war der „Reininghauser
Musikverein" gegründet worden, der sich zu einem beliebten Klangkörper
im Dorf und in der Nachbarschaft entwickelte. Er spielte für die
Gummersbacher Feuerwehr und lieferte den musikalischen Rahmen für Feste
aller Art.
Geprobt wurde damals in der Gaststätte „Deutsches Eck" in
Mühlenseßmar; und so kam dann nach Feierabend Robert Kießling aus dem
Ostersiepen, flötete auf den Fingern seinem Freund Willi Rippel sen. in
der Hammerstraße, und beide zogen durch den Hepel zur Probe nach Mühlenseßmar.
Im Dorf pflegte man Gemeinschaft und Nachbarschaftshilfe, setzte sich
nach getaner Arbeit am Abend unter die Linden vor der Haustür zum
„Klönen" und besprach dabei die Tagesereignisse und was sonst im Dorf
geschah - wenn wir genau hinschauen, können wir sagen: Dorfidylle, die
Ruhe, Frieden und Gelassenheit ausstrahlte.
Das Leben im Dorf spielte
sich ähnlich ruhig und friedlich ab. So saßen an einem Sonntagnachmittag
im Jahre 1897 'mal wieder einige Dorfbewohner zusammen, unter ihnen
Alwine Rippel und ihr Bruder Heinrich Dellenbusch, und beobachteten die
Kinder, die das Gummersbacher Schützenfest imitierten; aber statt auf
einen Vogel zu schießen, warfen sie mit Steinen auf Blechbüchsen, auf
die ein Papieradler geklebt war.
Das ging natürlich nicht immer so ganz
friedlich ab, manches Kämpfchen wurde ausgefochten, denn einer konnte es
immer besser als der Andere.
Um die sommerliche Idylle nun nicht durch
kindliche Streitereien stören zu lassen und die Uneinigkeit der Kinder
zu schlichten, machten sich Alwine Rippel und Heinrich Dellenbusch
daran, das Spiel der Kinder in etwas geordnetere Bahnen zu lenken und
Regeln für das Wett“schießen" aufzustellen.
Mit ihrem beispielhaften
Idealismus stifteten sie einen Kuchenvogel und zusammen mit Nachbarinnen
einige Eimer Himbeersaft, den „Himbeerquatsch", um damit den schlimmsten
Durst der jungen Schützen auf „Stoffel's Weide" zu stillen. Damit war
das Spiel vom Werfen auf Adler-geschmückte Blechdosen um eine Stufe
erhöht und zu einem regelrechten Wettkampf um den Siegeswurf geworden.
In unserem Reininghausen - damals durch die früher ganz bewaldeten Hepel
und Weckenberg (das Spielparadies der Kinder in früheren Jahren) von
Gummersbach getrennt - (noch heute sagen die Altbürger „Ich muss mal
eben nach Gummersbach", wohingegen die Neubürger recht vornehm „in die
Stadt" gehen!), hier also - hinter 'm Berg - hatte man eine eigene
Gemeinschaft und Nachbarschaft mit Blaskapelle, Gesang- und Turnverein.
Der Musikverein spielte dann am Sonntagnachmittag auf der Festwiese und
abends zum Tanz, wenn sich dieses „Kinderschützenfest" von der Wiese in
„Stoffel's Saal" verlagert hatte - nur die Akteure hatten sich geändert.
Das war die Geburtsstunde unseres Kinderschützenfestes im Jahre 1897,
das von nun an jedes Jahr begeisterte junge und alte Menschen aus der
Nachbarschaft in unser Dorf hinter'm Berg zog.
Leider fehlt uns eine geschriebene Chronik des Dorflebens und unseres
Festes, so dass wir weitgehend auf mündliche Überlieferungen und spätere
Zeitungsberichte angewiesen sind.
Bei der mündlichen Überlieferung war
„unser Paulchen" = Paula Kießling eine große Hilfe: sie war mit Leib und
Seele Reininghauserin, sprach das örtliche Platt in klassischer Reinheit
und mit Hingabe und hatte mit wachem Sinn alle Ereignisse des Dorfes „im
Griff".
Das Kinderschützenfest bedeutete für sie jedes Jahr den
Höhepunkt des heimatlichen Dorflebens, wobei ihr - womöglich durch die
Zeitläufe bedingt - der eine große Wunsch unerfüllt blieb: (mit
traurigen Augen erzählte sie immer wieder:) „Ich wäre auch 'mal gerne
Königin geworden!". Doch es hat nicht sollen sein.
„Unserem Paulchen"
verdanke ich viele Hinweise und Einzelheiten über Reininghausen und sein
Fest. Nach ihren Aussagen war Willi Stoffel der erste Reininghauser
Schützenkönig, und er erkor sich damals Hedwig Neek (spätere Frau
Bergerhoff) zur Königin. Als weitere bekannte Könige aus den
Anfangszeiten wurden genannt: Willi Lenz mit Paula Kießling (nicht unser
Paulchen, sondern die spätere Frau Rogge) im Jahre 1900 und Hermann
Gomann mit Paula Wippermann (spätere Frau Hesse) im Jahre 1908.
1908: Hermann Gomann und Paula Wippermann (spätere Frau
Hesse) mit großem Gefolge
Und zu allem spielte der Musikverein, sang der Männerchor, dem sich
schon bald ein Frauenchor zur Seite gesellte - und der Chronist erinnert
sich noch gerne an die gesanglichen Kostproben des „Rumpf-Frauenchores",
der uns 1968 beim Kinderschützenfest im Zelt an der Mittelstraße
erfreute.
Männergesangverein und Frauenchor konnten wegen
Nachwuchsmangels leider nicht weiter bestehen, leben aber in der
Erinnerung der Dorfbewohner weiter.
Die Nachrichten über unser Fest für
die Jahre vor dem 1. Weltkrieg sind naturgemäß spärlich, da die
unmittelbaren Zeitzeugen nicht mehr leben. Doch ab 1928 lebte die
Tradition nach mehrjähriger Unterbrechung wieder auf - das Fest bekam
neue Impulse. Die Blechdosen waren vergessen; in den 20er-Jahren schoss
man mit Holzbolzen von der Armbrust auf einen Stutenvogel, der auf
„Stoffel's Weide" auf einem hohen Pfahl befestigt war.
Daneben standen
Kletterstange und Bierstand, die Kinder mussten noch sackhüpfen und
eierlaufen - und abends zog ein Fackelzug mit Musikverein und Mücher's
Pferd vorweg durch's Dorf. Der König, den jetzt ein Dreispitz zierte,
wurde nach Hause begleitet und mit einem Ständchen verabschiedet.
Die ganz
neugierigen Kinder jedoch flitzten dann noch einmal zu „Stoffel's Saal", um
die Erwachsenen beim „Schützenball" zu belauschen; denn hier wurde getanzt,
gesungen und gefeiert - das Kinderschützenfest war jetzt zum Höhepunkt des
Reininghauser Sommers geworden: hier war man unter sich, hier war man bei
sich zu Hause.
Mit dem Ende der 20er-Jahre werden die Nachrichten genauer, viele der
Akteure von damals sind noch unter uns und erzählen mit strahlenden
Augen aus ihrer Jugendzeit. Drei Dorfbewohner machten sich um das Fest
besonders verdient: die Herren Ernst Jacobs, Gustav Bergmann und Eugen
Mester.
Der Gegensatz Oberdorf/Unterdorf war noch nicht ganz ausgemerzt,
gingen doch die Kinder aus dem Oberdorf immer noch zur Schule Becke, die
Übrigen nach Gummersbach; erst einige Jahre später wurden die
Schulbezirke neu geordnet.
Man spielte nur selten zusammen, und dies mag
auch einer der Gründe sein, warum Paulchen's Wunsch „einmal Königin" zu
sein, nicht in Erfüllung ging.
Dafür erkor sich Willi Rippel jun. beim
Kinderschützenfest 1928 Addi Hausmann (heutige Frau Havez) zur Königin.
Beide schwärmen noch heute von ihrer Regentschaft.
1929: Von links: Addi Hausmann (heutige Frau Havez),
Willi Rippel, Margot Lenz (heutige Frau Mücher), Werner Stoffel, Hildegard
Lepperhojf (heutige Frau Schnellenbach) und Gerhard Lenz
1930: Von links: Margot Lenz (heutige Frau
Mücher), Werner Stoffel, Hildegard Lepperhojf (heutige Frau Schnellenbach),
Rudi Werner, Hildegard Jacob (heutige Frau Kühn) und Alfred Aulmann
Das Fest wurde an
einem Tag gefeiert, meistens am Sonntag, und an diesem Abend 1928 durfte
Addi beim „Schützenball" mit Vater's Erlaubnis in Stoffel's Saal dabei
sein. Sie erinnert sich noch lebhaft an den Augenblick, als ein Fässchen
Bier - vom Vater für den Musikverein gestiftet - durch den Saal gerollt
wurde. Willi durfte nicht dabei sein.
Dafür erschien er am nächsten
Morgen im Eichenhof und übergab seiner Königin ganz heimlich eine Rolle
Drops - also war das Kinderschützenfest auch noch eine Schule für
Kavaliere!
Denken wir uns einmal in das Geschehen beim
Kinderschützenfest hinein. Es dauerte manchmal recht lange, bis ein
Jubelschrei durch die wartenden Zuschauer ging und man wusste, dass der
Vogel gefallen war. Jetzt zitterten vor allem die Mädchen dem Augenblick
entgegen, in dem sich der neue König für die Königin entschied; denn
jedes Jahr gab und gibt es die Spannung und den Reiz dieses
Augenblicks.... und jeder möchte doch einmal Kinderkönig sein, jedes
Mädchen einmal im Leben Kinderkönigin, um an der Spitze des Zuges durch's Dorf zu ziehen. Was gibt es Größeres???
Aber die Freude ist und
war groß, blieb Jahr für Jahr erhalten und wurde bis in den Abend
übertragen, wenn die bunten Blumenstöcke des Nachmittags durch Fackeln
ersetzt wurden und der neue König nach Hause begleitet wurde.
Dort
versammelte sich der ganze Hof - der nach langem „Nimm mich!" oder „Nimm
mich auch!" zusammengestellt worden war - zum Königsmahl, während die
„Alten" dann später ihr Fest mit Tanz und einem kräftigen Schluck beim
„Mierchen" Mussmann feierten.
Ihr und ihrem Gatten Albert, einem der
frühesten „Zugereisten" in Reininghausen, sei hier ein herzliches
Gedenken gewidmet, denn „Mierchen" gehörte zum Kinderschützenfest wie
die Sonne zum Sommer.
Sie musste viel über sich ergehen lassen an Arbeit
und Sorge, ob auch der Saalboden dem Temperament der losgelassenen
Dorfleute standhalten würde - war es doch jetzt das Fest des Jahres für alle.
Aus den Jahren um 1930 wurden mir dann die folgenden Königspaare
gemeldet:
1929: Werner Stoffel und Margot Lenz (heutige Frau Mücher)
1930: Rudi Werner und Hildegard Lepperhoff (heutige Frau Schnellenbach)
1931: Helmut Baltes und Lieselotte Schmidt
1933: Fritz Büchler und Addi Hausmann (heutige Frau Havez)
und als letztes Königspaar vor dem 2. Weltkrieg
1939: Harald Aulmann und Betti Hesse (heutige Frau Schöneborn)
In den dunklen Jahren zwischen 1939 und 1945 konnte natürlich kein Fest
gefeiert werden, doch vergessen wurde es nicht, wie aus vielen
Feldpostbriefen (die in der Chronik des Männergesangvereins gesammelt
sind) hervorgeht.
1931: Auch schon damals erfreute sich
Reininghausen einer großen Kinderschar, die sich hier um König Helmut Baltes
und seine Königin Lieselotte Schmidt versammelt hat.
1933: König Fritz Büchler und seine Königin Addi
Hausmann (heutige Frau Havez) umringt vom stolzen Reininghauser „Fußvolk"
1939: Zum letzten Mal vor dem Krieg feiert
Reininghausen einen König: Harald Aulmann und seine Königin Betti Hesse
(heutige Frau Schöneborn) halten Hof auf dem Festplatz Im Rauhenbusch. (Dort
befindet sich heute die Siedlung „ Im Siefchen ")
In weiter Ferne und in düsteren
Augenblicken erinnerten sich die Reininghauser Jungs -
verständlicherweise heimwehkrank - an den schönen Tag ihrer Kindheit, an
dem „ihr Fest" gefeiert wurde. Für sie waren es leuchtende Tage, bei
deren Erinnern man nicht weinte, dass sie vorüber waren, sondern
glücklich lächelte, dass sie gewesen.
Als man sich nach dem Krieg wieder einigermaßen eingerichtet hatte und
neu anfing, besann man sich natürlich auch wieder auf das
Kinderschützenfest, das seit den 20er- und 30er-Jahren ein so fester
Bestandteil des Dorflebens geworden war.
So trafen sich Ende der
40er-Jahre die 16- bis 18-jährigen Jungs in „Jünger's Laube" am Sandberg
und berieten über einen Neubeginn. Sie wurden bei diesem Plan von Dr.
Wilhelm Stoffel tatkräftig unterstützt, und ihr Appell fand bei Jung und
Alt ein begeistertes Echo im Dorf.
Reininghausen war wieder da, das Herz
des Dorflebens schlug wieder kräftig, und - oh, Wunder - Ober- und
Unterdorf fanden sich zu gemeinsamem Tun.
Man ging frisch ans Werk,
improvisierte, organisierte: Alfred Kühn ging durch die Gegend und
sammelte Preise für die Losbude, Franz Stahl und andere besorgten
Schießbude und Kletterstange, Bänke und Tische wurden von der Firma
Steinmüller ausgeliehen und Ernst Jacobs lötete eigenhändig die
Königskette zusammen, die uns seit dieser Zeit in ununterbrochener Folge
alle Könige vermeldet.
Voraussichtlich muss sie jedoch in Kürze - nicht
zuletzt aus Gewichtsgründen -durch eine neue ersetzt werden.
Da man ja stets vom Wetter abhängig und der Wettergott auch nicht immer
ein Reininghauser war, plante man irgendwann den Bau eines Festzeltes.
Um dieses Projekt machten sich damals vor allem vier junge Männer aus
dem Dorf verdient, nämlich:
Eberhard Eschmann,
Bruno Kessler,
Friedrich
Hesse und
Wilfried Werner.
Sie zogen in den Wald, schlugen Tannenstämme,
schleppten sie zu der Weide an der Kampwiese, bauten dort ein Gerüst -
aber das war noch kein Zelt! Womit konnte man das Ganze abdecken? Das
war die große Frage!
Aber die Vier hatten dann die glänzende Idee:
Eduard Eschmann hatte doch die Ami-Plane in seiner Remise. Also begab
man sich schüchtern und brav zu dem Besitzer, bat höflich, ob er die
Plane ausleihen würde und hörte ein barsches „Nää!".
Nach der ersten
Enttäuschung griff dann Eberhard Eschmann, der Neffe, zur Selbsthilfe
(trotz der Gewissheit, dass ein Donnerwetter heraufzog) und holte die
Plane heimlich aus der Remise, schleppte sie bis zum „Kämpchen", wo ihn
die Anderen erwarteten.
Sie trugen gemeinsam die Plane zur Weide und
wuchteten sie über das Gerüst aus Tannenstämmen - Reininghausen hatte
sein erstes „Festzelt".
Mittlerweile waren auch die ersten Buden fertig,
der Nagelbalken stand. Elli Bühne hatte aus alten Lumpen Bälle für's
Büchsenwerfen genäht und aus rotem Inlett vier gleiche Mützen für unsere
aktiven Zeltbauer.
Der Festplatz war also gerichtet, der Spaß konnte
beginnen.
Da nahte am frühen Nachmittag das Schicksal in Gestalt von
Eduard Eschmann und seinem drohend erhobenen Krückstock auf der Weide.
Unseren vier Burschen zitterten die Knie, denn er machte die Sache
äußerst spannend: Er stand eine Viertelstunde schweigend am Rand der
Weide. Ruhe vor dem Sturm?
Dann hob er den Stock und sprach laut und
deutlich: „Datt well ick enk sähen: Wann die Plane hütt owend nich doo
ess, wo se woohr, kunn ett watt erleehwen!" - Sprach's, verschwand, und
das Fest nahm seinen Lauf.
Der Festplatz war zudem noch geschmückt mit
Girlanden, welche die Jungen und Mädchen gebunden hatten. Sie hatten
ferner kleine Papiertüten mit Bonbons gefüllt und verteilten sie später
an die Kleinsten.
Die „Kakaofrauen" waren voll im Einsatz, und die
Kinder genossen die köstliche Bewirtung mit Kakao und Teilchen. Adolf Mücher und Willi Baltes bliesen Luftballons auf und priesen sie zu
günstigem Preis an: 1 Ballon kostete 0,30 DM, 3 Stück 1, DM!!
Reininghausen feierte wieder!
Im ersten Festzug nach dem Krieg zog am Sonntagnachmittag Karl-Otto Baltes als „gewählter" Prinzregent, d.h. als Vertreter des letzten
Königs von 1939, mit. Der hätte nicht mehr so ganz ins Bild gepasst mit
Schnurrbart und langen Hosen! Elf Jahre sind halt eine lange Zeit - aus
Kindern von damals waren junge Männer geworden.
1950: Von links: Inge Göbel, Hans-Gerd Baltes,
Brigitte Stoffel (heutige Frau Cleff), Günter Baltes, Hannelore Fischer
(heutige Mrs. Tierney), Karl-Otto Baltes, Brunhilde Jacobi (heutige Frau
Schäfer), Hans Albrecht Kießling und Ulrich Stahl
Und die Alten waren nicht weniger aktiv.
Albert Mussmann verkaufte unter einem Sonnenschirm heiße Würstchen dort
oben auf dem Kamp am Rauhenbusch. Seine Ware fand soviel Anklang, der
Hunger der vielen Gäste war so groß, dass er sich am Ende die Haare
raufte, weil so viele - sprich: alle - Würstchen verkauft waren und er
keinen Nachschub mehr hatte.
Bei Regen zog man zum Vogelschießen unter
ein improvisiertes Zeltdach an der Ecke von „Stoffel's Wirtschaft". Dort
hing der Vogel, der damals noch gebacken und geliefert wurde von der
Bäckerei Ernst + Franz Lenz in der Becke.
Erster Schützenkönig nach dem
Krieg wurde 1950 Rolf Artur Reinbacher. Als Erste beglückwünschten den
neuen König und seine Königin Doris Jünger (heutige Frau Rindermann) das
Schützenkönigspaar von 1900: Willi Lenz und Paula Rogge, geb. Kießling.
Am Dienstag, dem 22. August 1950, war
dann in der Lokalpresse zu lesen: „Als der Zug auf dem Festplatz
angelangt war, war schon alles zum Königsschießen vorbereitet. Der
gebackene Vogel thronte auf der Stange in luftiger Höhe, und dann
zischte es nur so aus den Luftgewehren.
Den glücklichen Schuss tat Rolf
Artur Reinbacher, der seine Gespielin Doris Jünger zu seiner Königin
erkor. Freunde und Freundinnen bildeten den Hofstaat, kurzum: es ging
alles so zu, wie bei den „Großen", nur dass statt des Weins
Zitronensprudel getrunken wurde. Indes war es darum nicht weniger
lustig."
Von nun an berichtete die Presse regelmäßig über den Höhepunkt
des Reininghauser Sommers; denn jetzt ging's Schlag auf Schlag: jedes
Jahr Kinderschützenfest, und die Kette verrät die Namen der jährlichen
Könige. Das Jahr 1960 vermeldet den bis dahin jüngsten Schützenkönig,
der 6-jährigen Wolfgang Werner.
Zwei Stunden lang nahm in diesem Jahr
das Vogelschießen die Aufmerksamkeit von Jung und Alt in Anspruch. Der
Vogel fiel schließlich punkt 18:00 Uhr von der Stange, und die Jugend
umjubelte den neuen Schützenkönig Wolfgang.
Als er anschließend im Saale
vorgestellt wurde, präsentierte er als seine Königin Gisela Rippel
(heutige Frau Kindel).
Doch allmählich litt „Stoffel's Saal" unter
Altersschwäche, der Boden schwankte beim Tanzen immer stärker. Beim
letzten „Dorfabend" 1964 war es so schlimm, dass Mierchen den Tanz
unterbrechen musste, derweil einige junge Männer mit Holzpfählen den
Boden von unten abzustützen versuchten.
Zudem war der Saal mittlerweile
zu klein geworden, denn die Beliebtheit des Festes lockte immer mehr
Gäste nach Reininghausen. Es war bekannt geworden, dass man hier noch
zünftig feiern konnte.
Was tun? war nun die Frage, die sich für die Organisatoren des Festes
stellten. Doch getreu dem ungeschriebenen Gesetz der Reininghauser
Festbegründer besannen sich die Nachkommen und griffen zur Selbsthilfe.
Die Dorfjugend „jeglichen Alters" und auch Zugereiste trafen sich
dienstags- und donnerstags-abends sowie sonntags vormittags in der von
Otto Kessler zur Verfügung gestellten Halle in der Mühlenseßmarstraße
und schweißten - und schwitzten - in mühevoller Arbeit ein Zeltgestänge
aus Rohren zusammen, die Hermann Eschmann besorgt hatte, der dann mit
nur einer Handbewegung die Frage beantwortete: „Wer soll die Rohre
bezahlen?"!
Hier war Reininghausen unter sich! Derweil ging Hartmut
Stoffel in Gummersbach von Geschäft zu Geschäft und sammelte Preise für
die Losbude. Keiner war je so erfolgreich im Sammeln der Preise wie
Hartmut, der dieses Amt seit vielen Jahren inne hat, obwohl Waltraud
Murmann zeitweise zur ernst zu nehmenden „Konkurrentin" wurde.
Das neue
Zelt aber bot nun - mit den jährlich entliehenen Planen bedeckt - einen
ansehnlichen Festraum, in den man noch durch bereitwillige Eigenarbeit
einen guten Tanzboden einbaute und die Räumlichkeit mit Blumengebinden
und bunten Fähnchen ausschmückte.
Zum Transport stellte Rudi Werner
jedes Jahr seinen kleinen Transporter zur Verfügung, und Frau Wilhelmine
Lukatis gab ihr Grundstück an der Mittelstraße zum Zeltaufbau frei.
Zu
aller Freude holte dann noch unser Reininghauser Urgestein Hans Kessler
1966 die Kegelbahn aus der alten „Postschenke" in Gummersbach als
weitere Attraktion für unser Fest nach Reininghausen.
Da das Umfeld an der Mittelstraße allmählich zu eng wurde, musste man
sich nach einem anderen Platz umsehen. Anfang der 70er-Jahre schuf sich
daher die „Dorfgemeinschaft Reininghausen e.V.", wozu sich die frühere
lockere Nachbarschaft durch die Initiative von Helmut zum Busch Ende der
60er-Jahre entwickelt hatte, einen eigenen Festplatz an der Ecke
Mittelstraße / In der Kampwiese.
Das früher ziemlich nasse und
unzugängliche Sumpfgelände wurde von den Eigentümern zur Verfügung
gestellt, der Bolz- und Kinderspielplatz dann von Mitgliedern der
Dorfgemeinschaft finanziert und in Eigenleistung erstellt.
Aufgefüllt
wurde das Sumpfloch mit dem Abbruchmaterial des ehemaligen
Mädchengymnasiums Gummersbach, das Platz machen musste für Bühnenhaus
und Gymnasium Grotenbach.
Dieser neue Festplatz wurde am 13. Mai 1972 seiner Bestimmung übergeben.
Nach 75 Jahren hatte das Kinderschützenfest Reininghausen eine neue
Bleibe, und die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr Gummersbach - die ja
zum Teil aus dem früheren Musikverein Reininghausen hervorgegangen war -
spielte zur Einweihung. Bürgermeister Billig gratulierte zu diesem Werk
und drückte seine Hochachtung vor der geleisteten Arbeit aus. Inzwischen hatte Willi Baltes eine stabile Holzbrücke über den Bach am
Rande des Platzes gebaut, so dass von der Kampwiese ein eigener Zugang
zum Kinderspielplatz geschaffen war.
Der Zahn der Zeit und der Regen
haben dann das ihre getan, um das Holz vermodern zu lassen. Mittlerweile
wurde die Brücke durch eine Steinbrücke ersetzt.
In ca. 1200
Arbeitsstunden war der Platz gebaut worden, und die aktive
Dorfgemeinschaft hatte mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen:
einerseits war das Spielgelände für Kinder mit Fliegenpilz, Kletterbaum,
Rutschbahn und Indianer-Wigwam entstanden, andererseits hatte man
einiges zur Ortsverschönerung beigetragen.
Zur Unterhaltung der
Spielgeräte und zur Pflege des Geländes traf man sich anfangs einmal im
Monat. Nach einigen Jahren ist die Pflege des Platzes in die Hände der
Stadt Gummersbach übertragen worden.
Auf diesem Platz wurde dann am 4. und 5. September 1972 das
Kinderschützenfest gefeiert, das der Satzung des Vereins entsprechend
„das Zusammengehörigkeits-bewusstsein seiner Mitglieder und Dorfbewohner
stärken soll".
Kinderschützenfest in Reininghausen! Das hat einen Klang, der nicht nur
diesen
Ort in Schwung bringt. Nein, das Wort beschwingt den Reininghauser wie
„Karneval" den Kölner.
Da reisen alte Freunde und Bekannte von Nah und
Fern an, die im Umland lebenden Verwandten kommen zum Wochenendbesuch,
und selbst dunkle Regenwolken können die Freude am Schützenzug nicht
schmälern - denn Blumenstöcke kann man auch unter dem Regenschirm
tragen.
Anschließend warteten früher ja schließlich noch der warme Kakao
und die frischen Teilchen, bevor der absolute Höhepunkt kam: das
Vogelschießen! Daran hatte sich ja seit 1951 noch nichts Wesentliches
geändert, als in der Zeitung zu lesen gewesen war:„Recht viel Freude gab natürlich die Kaffeetafel. Da stand für jedes
Kind eine hübsche Tasse und dort lag auf jedem Platz ein niedlich
gemustertes Taschentuch. Diese Dinge gingen in den Besitz der kleinen Schmauser über.
Und dann endlich - es war gegen 15:00 Uhr - pfiff die
erste Kugel in den hartnäckigen Kuchenvogel. Die kleinen Schützen
kämpften verbissen, die Großen luden die Gewehre und warfen verzweifelte
Blicke auf den zähen Vogel.
Ein Opa strich im Hintergrund einher und
meinte, dass man mit einem Stein zu Hilfe kommen müsste. Aber der ging
daneben.
Zweimal bemühte sich dann eine unparteiische Kommission um das
Vogeltier, das einfach nicht herunter wollte. Der größte unter den
Jungen - er war wohl auch am nächsten dran - erwischte schließlich einen
ganzen Flügel, kassierte ihn schnell ein, und weiter ging der Kampf, bis
dass der Wind recht kritische Situationen schaffte.
Der einarmige Piepmatz schaukelte nur noch an einem Nagel, als endlich Karl-Heinz
Weber Korn und Kimme richtig visierte.
Da lag das Tier im Grase, ein
Wolkenbruch und etliche Streiter gingen darüber her, währenddessen
Karl-Heinz I. als neuer König auf die Schultern gehoben wurde, um im Triumpfzug über den Platz getragen zu werden.
Was kümmert da noch der
Regen?"
Und abends spielte die Blasmusik, und Reininghausen tanzte in
den Montag und die neue Woche hinein; denn das Fest, ob bei Regen oder
Sonnenschein, vereinigt Jung und Alt zu fröhlichem Treiben.
Ende Teil1 weiter mit
Teil 2
Reininghausen im Juni 1997
Dr. Werner Schoppmann